Status bezeichnet beim Improvisationstheater das Machtgefälle in der Beziehung zwischen zwei Bühnenfiguren. Eine Figur im Hochstatus verhält sich dominant gegenüber einer Figur im Tiefstatus. Eine Figur im Tiefstatus ordnet sich der Person im Hochstatus unter, passt ihr Handeln an deren Vorgaben an. Der momentane Status der Figuren zueinander ist erkennbar an Körpersprache, Handlungen und Sprechweise der Spieler.

Keith Johnstone versteht (in: "Theater und Improvisation" S. 57ff.) Status als etwas was man tut, unabhängig vom sozialen Status, den man hat. Der soziale Status bezeichnet den Rang in einer Gesellschaftsordnung. Am oberen Ende finden sich weltliche und geistliche Herrscher (König, Priester), am unteren Ende die Abhängigen und Ausgestoßenen. Der gesellschaftliche Rang wird etwa durch Ämter, Titel, Auszeichnungen und Statussymbole demonstriert. Status nach Johnstone ergibt sich dagegen aus dem Verhalten der Figuren in einer konkreten Begegnung. Er betont, dass es keinen neutralen Status gibt, sondern dass sich immer ein Gefälle zeigt. Ein guter Schauspieler sei sich des relativen Status der dargestellten Figuren jederzeit bewusst und könne ihn spielerisch variieren.

In der Regel ist es sinnvoll, Figuren mit deutlichem unterscheidbarem Status zu spielen, da dies das Geschehen belebt und auch die Chance zu Veränderungen bietet. Einige Spiele oder Übungen stellen den Status in den Mittelpunkt, zum Beispiel der Klassische Statuswechel, die Statuskette und das Statusraten.

Inhaltsverzeichnis

Statusmerkmale

Bewegung

  • Hochstatus: Zielgerichtet, ruhig, geschmeidig, bestimmt, fest, geschickt; Kopf bewegt sich wenig
  • Tiefstatus: Unsicher, fahrig, ruckartig, steif, eng, tolpatschig

Sprechen

  • Hochstatus: "Normale" Stimmlage. Aber auch: situationsbedingtes Brüllen/Flüstern
  • Tiefstatus: Leise, nuschelig, stockend, schnell

Stimmlage

  • Hochstatus: Eher tief, entspannt
  • Tiefstatus: Eher hoch, quietschig, gepresst

Körperhaltung

  • Hochstatus: Aufrecht, straff. Aber auch: frei, ungezwungen, locker
  • Tiefstatus: Gebeugt, schlaff. Aber auch: verkrampft, starr

Atmung

  • Hochstatus: Ruhig und gleichmäßig
  • Tiefstatus: Hektisch, flach, schnell, japsend, stockend
  • Bemerkung: Den Atem anzuhalten kann beides sein. Dem Tiefstatus bleibt der Atem vor Angst oder Schreck stehen. Der Hochstatus hält den Atem an, um eine Drohgebärde zu verstärken.

Berührung anderer

  • Hochstatus: Jede Art ungefragter Berührung: Hand auf die Schulter legen, Fussel vom Pulli picken, über die Wange streichen, ...
  • Tiefstatus: Scheut vor Berührung anderer zurück. Lässt sich ungefragte Berührung gefallen

Eigenen Körper berühren

  • Hochstatus: Nicht berühren. Aber auch: demonstrativ berühren
  • Tiefstatus: Verlegenheitsgesten: durch die Haare streichen, das Gesicht streichen
  • Bemerkung: Wichtig ist wie man sich selbst berührt. Der Zeigefinger am Mund etwa kann Unsicherheit ausdrücken (ertappter Schüler: "Ähm, was soll ich sagen?") oder einen Dominanzanspruch (Lehrer zu Schülern: "Psst! Ruhe im Saal!", Verführerin zu Mann: "Sieh auf meine Lippen!")

Soziale Angemessenheit

  • Hochstatus: Direkter Blick. Der sozialen Situation angemessene Blickdauer - nicht zu lang, nicht zu kurz. Aber auch: dominantes Niederstarren, hypnotischer Blick
  • Tiefstatus: Rasches Abwenden des Blickes, also Vermeiden von (längerem) Blickkontakt. Unsteter Blick. Aber auch: bewunderndes, naives oder sozial ungemessenes Anglotzen
  • Bemerkung: Blickkontakt ermöglicht sehr komplexe soziale Interaktionen. Laut Keith Johnstone ( in: "Theater und Improvisation" S. 68) regelt nicht die Dauer des Blickkontakts den Status, sondern die Reaktion auf Angestarrt-Werden.

Körperhaltung

  • Hochstatus: Findet immer die richtigen Worte und die richtigen Gesten. Weiß, was der Situation angemessen ist und handelt entsprechend. "Weiß sich zu benehmen". Weiß auch, wann er schweigen oder nichts tun soll. Geschmeidigkeit, Flexibilität, Prinzipientreue, Entscheidungsfreude, Einsicht. Aber auch: setzt sich bei Bedarf souverän über soziale Normen hinweg
  • Tiefstatus: Liegt immer daneben, redet dazwischen, verplappert sich. Verletzt soziale Normen aus Angst, Unsicherheit oder Schwäche. Aber auch: Besserwisserei, Arroganz, Sturheit, Unbelehrbarkeit

Probleme

  • Hochstatus: Kennt keine Probleme. Kann mit jeder Situation umgehen. Weiß immer, was zu tun ist. Hat immer eine gute(!) Antwort und noch ein Ass im Ärmel. Erkennt Prioritäten.
  • Tiefstatus: Sieht immer und überall Probleme. Scheitert an den kleinsten Alltagsdingen. Aber auch: Verkennt die eigentlichen Probleme, die andere Mitspieler gerade beschäftigen

Gelassenheit

  • Hochstatus: Lässt sich durch nichts aus der Ruhe bringen, selbst in völlig ausweglosen Situationen. Brüllt nur, um seine Überlegenheit zu demonstrieren.
  • Tiefstatus: Lässt sich leicht verunsichern. Gerät schnell in Panik. Lässt sich leicht provozieren. Rastet aus, wenn ein wunder Punkt berührt wird. Winselt um Gnade.

Fragen

  • Hochstatus: Fragt wann und wie's ihm passt. Fragt aus Neugier. Verhört, spioniert, verkauft, verunsichert mit gezielten Fragen. "Wer fragt, der führt."
  • Tiefstatus: Fragt, um Hochstatus zu beschwichtigen. Fragt aus Unsicherheit und um sich nicht selbst entscheiden zu müssen. Aber auch: Lässt aus Angst Gelegenheiten für wichtige Fragen ungenutzt verstreichen. Ist zu einfältig, um auf kluge Fragen zu kommen.

Status verändern

Wichtig für Spiele wie Klassischer Statuswechsel ist, dass der Status immer relativ zu jemand oder etwas anderem definiert ist. Keith Johnstone verwendet (in: Theater und Improvisation, S. 60f.) das Bild einer Statuswippe, die sich auf zwei Arten bewegen lässt. Entweder drücke ich den Status des anderen ("du stinkst") oder ich erhebe den eigenen ("ich rieche gut"). Beim Kampf um den Tiefstatus senke ich entsprechend meinen eigenen Status ("ich nichtsnutziger Wurm") oder erhebe den anderen ("du strahlender Held"). Johnstone empfiehlt (in: Theater und Improvisation, S. 61), bei jedem Dialogsatz zwischen den beiden Methoden zu wechseln.

Status verändern mit Fürsorge

  • Hochstatus verstärken: Den anderen "bemuttern", helfen, beschützen, versorgen, bewirten
  • Tiefstatus verstärken: Sich bevormunden und entmündigen lassen
  • Bemerkungen: Typische Dialoge: "Zieh deine Mütze auf, es ist kalt draußen" - "Ja, Mama". "Keine Angst, ich beschütze dich!" - "Oh, mein Held!"

Status verändern mit Lob/Schmähungen

  • Hochstatus verstärken: Den anderen schmähen. Sich selbst loben. Aber auch: treffsichere Komplimente machen
  • Tiefstatus verstärken: Sich selbst schmähen. Den anderen loben, verehren, verherrlichen, bewundern, preisen
  • Bemerkungen: Das ist wohl das am häufigsten angewandte Stilmittel in Komödien aller Art.

Status verändern mit Raumanspruch

  • Hochstatus verstärken: Ausladendere Gesten. Raum großflächig durchschreiten. Die Bühnenmitte einnehmen.
  • Tiefstatus verstärken: Gestik verkleinern. Bewegungsradius verkleinern. An den Bühnenrand zurückziehen. Teile der Bühne dem Hochstatus überlassen. Vom Hochstatus und dessen Territorium Abstand halten.

Status verändern mit Körpergröße

  • Hochstatus verstärken: Aufstehen. Körper aufrichten. Auf Podest steigen.
  • Tiefstatus verstärken: Bücken, buckeln, kauern. Vor dem anderen niederknieen, auf den Boden werfen.
  • Bemerkungen: Entscheidend ist die relative Kopfhöhe zwischen den beiden Spielern. Der Hochstatus thront über dem Tiefstatus. Aber: Sich ungefragt zu setzen, kann auch den Status heben, weil man mehr Raum besetzt.

Status verändern mit Nähe

  • Hochstatus verstärken: Dem anderen nähern. In den persönlichen Schutzbereich eindringen. Berühren. Aber auch: den anderen zum Näherkommen auffordern
  • Tiefstatus verstärken: Dem anderen ausweichen. Aber auch: Berührungen erdulden
  • Bemerkungen: Die Bedeutungen von Nähe/Distanz-Interaktionen sind sehr komplex. Für Statusveränderungen ist die Frage wichtig: wer veranlasst die Abstandsänderung und wie reagiert der andere? Unterscheide auch zwischen persönlichem Schutzbereich (bis etwa 0,5m), dem sozialen Bereich (etwa 0,5 bis 3m) und dem Fernbereich (über 3m).

Weitere Hinweise und Anmerkungen

Der Status einer Figur hat nichts damit zu tun, ob sie sympathisch oder unsympathisch ist. Ebenfalls kann der Status unter Umständen genau umgekehrt sein, als es "gesellschaftlich erwartet wird" - das ist beim Publikum meistens besonders beliebt. Zum Beispiel wenn sich ein Angestellter/Schüler (niedriger sozialer Status) dem Chef/Lehrer gegenüber besonders frech oder überlegen verhält (Hochstatus).

Meist ist es so, dass Personen im Hochstatus ein hohes, Personen im Tiefstatus ein niedriges Selbstbewusstsein haben. Die oben beschriebenen Kennzeichen von Hoch- und Tiefstatus beziehen sich überwiegend auf niedriges/hohes Selbstbewusstsein. Eine Person mit niedrigem sozialen Status kann aber durchaus ein normales oder hohes Selbstbewusstsein haben (literarisches Beispiel: Soldat Schwejk) oder umgekehrt.

Beliebter Fehler ist es, den Hochstatus mit Arroganz zu verwechseln. Ein echter Hochstatus hat keine Arroganz nötig. :-) Im Gegenteil, hochgeachtete und mächtige Persönlichkeiten verhalten sich oft besonders höflich, diplomatisch und freundlich. Königin Elisabeth II würde nie laut herumpoltern. Aber wenn sie sagt, sie sei "not amused", gefriert den Menschen in ihrer Umgebung das Blut.

Keith Johnstone beobachtet ( in: Theater und Improvisation, S. 71), dass jeder Mensch einen bestimmten Status bevorzugt. Viele Schauspieler sind entweder Hochstatus- oder Tiefstatusspezialisten. Er beobachtet aber auch ( in: Theater und Improvisation, S. 57), dass viele Schauspieler die Wirkung ihres Spiels falsch einschätzen. Sie meinen sich etwa freundlich zu verhalten, während die anderen sie als feindselig erleben.

Status kann man nicht nur gegenüber Personen spielen, sondern auch zu Dingen oder Räumen. So kann sich etwa der Narr im großen Thronsaal wie zu Hause fühlen (Hochstatus), während sich der König dort unsicher und ängstlich bewegt (Tiefstatus). Ein Kaugummi kann etwa von Paula lässig ausgespuckt werden (Hochstatus) und dann vom unglücklich in sie verliebten Paul ehrfürchtig aufgehoben und in einer Vitrine ausgestellt werden (Tiefstatus).

Die Faustregel "Hochstatus kann man sich nicht nehmen, Hochstatus wird angespielt" betont, dass der relative Status in einer konkreten Begegnung wichtig ist. Wenn sich zwei typische Hochstatusspieler auf der Bühne begegnen, lässt sich zu Beginn der Szene das Statusgefälle zwischen den Figuren am einfachsten etablieren, indem die Tiefstatusfigur sich deutlich erkennbar dem Hochstatus unterordnet.

Durch Übertreibung oder Ironie lässt sich die Wirkung vieler Mittel auch umkehren! Wer sich gegenüber einem anderen aufrichtet, erhöht seinen Status, wer aber auf den Schrank klettert, weil der andere auf dem Tisch steht, macht sich lächerlich und senkt seinen Status.

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last update: 2019-11-11
by Guido Boyke
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