Charakter ist beim Improvisationstheater die dargestellte Person mit den Besonderheiten ihrer Persönlichkeit (Individualität). Diese Besonderheiten können sich im Reden, in der Mimik, Gestik, in ihrem Handeln, in dem nach außen tretenden spezifischen Denken und Fühlen ausdrücken. In den zum Teil sehr kurzen Szenen ist es bereits aus Zeitgründen schwierig, eine ausdifferenzierte Person darzustellen, hier gelingt es meist nur, die Person sehr skizzenhaft zu zeigen oder sie mit (nur) einem besonders hervorstechenden Merkmal auszustatten und dadurch zu kennzeichnen (zu charakterisieren oder gar zu karikieren). Erst bei längeren Szenen oder bei Langformen kann ein Charakter entstehen.
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Abgrenzung zur Figur und zur Rolle
Beim herkömmlichen Theater gibt es neben dem Charakter noch die Rolle. Das ist die von dem jeweiligen Autor eines Stückes vorgegebene fiktive Person, die dieser (lediglich) durch den Text und etwaige Handlungsanweisungen im Manuskript definiert hat. Die Rolle wird erst durch den Regisseur, insbesondere aber - unmittelbar - vom Schauspieler selbst mit "Leben" gefüllt wird. Dieses "Leben" ist der Charakter der Figur ("Wie haben sie die Rolle angelegt?"). Insbesondere im herkömmlichen Regietheater ist die Abgrenzung des Charakters zur Figur schwierig, manche sehen die Begriffe synonym, manche sehen die Figur als "weniger"an.
Warum Charakter?
Charakter gibt der dargestellten Person Tiefe, die Figuren sind lebendiger, authentischer, wahrhaftiger. Die Zuschauer/innen können sich leichter mit der dargestellten Person identifizieren oder sie - bei einem negativen Charakter - nicht mögen. Das sich aus den Besonderheiten, den Widersprüchlichkeiten des jeweiligen Charakters ergebende Geschehen wirkt bewegender. Aufgrund des dargestellten Charakters können sich spezifische Ideen entwickeln. Weiterhin gibt er dem Spielenden eine gewisse Sicherheit, er kann sich in dem Rahmen des von ihm entwickelten oder des sich entwickelnden Charakters bewegen. Der Charakter, der möglicherweise auch durch Routinen Kontur gewinnt, hat die Chance, sich glaubwürdig und berührend zu verändern.
Wieviel Charakter?
Die Frage ist, ob und wenn ja, inwieweit sich die Schauspielerin/der Schauspieler auf den jeweiligen Charakter einlassen kann oder will. Das gilt insbesondere in Bezug auf die spezifischen Gefühle der betreffenden Person.
Bestandteile
Bestandteile des Charakters sind folgende Wesensmerkmale:
- allgemeine physische Kennzeichen wie übliches Bewegungstempo, Sprechtempo, in der Bewegung "hervorgehobene" Körperteile (z.B. Brust, Genitalien), betont aufrechter Gang, "selbstbewusste" Körperhaltung usw.
- fortdauernde auffällige Besonderheiten der körperlichen Haltung, der Bewegung, Gestik, Mimik, Sprache - etwa ein gebeugter Gang, der die (innere) Last zeigt, die jemand auf seinen Schultern trägt,
- Verhaltensmuster: Wie reagiert die Person (immer wieder) in bestimmten Situationen,
- das Zwischenmenschliche: das Verhalten in einer Gruppe (Lebenspartner/Kollegen/Freunde usw.), die Haltung der betreffenden Person zur Gruppe. Ergebnis ist unter anderem das Entstehen eines (dauerhaften oder situations- und/oder gruppenabhängigen) Status'
- Biografie: Das bisher Erlebte, insbesondere die persönlichkeitsprägenden Erlebnisse,
- Die Emotionalität: spezifisch (stark oder auffällig schwach) vorhandene und ausgelebte Gefühle und Triebe der betreffenden Person,
- innere (nach außen tretende) Konflikte und Probleme,
- Einstellung: (nach außen tretende) innere Haltung zu grundlegenden Fragen (z.B. "ich glaube an Gott") und zu bestimmten Themen und Problemen (z.B. "ich mag keine Hunde"),
- Gewohnheiten: persönliche Routinen der Person in ihrem Alltag, das kann z.B. das Bier beim Fernsehen sein oder das Singen beim Duschen, das Ziehen am Ohrläppchen usw.
- (Lebens-) Ziele, Wünsche,
- Hobbys und Interessen.
Entwicklungschancen
Darstellerisch und für die Zuschauer interessant können neben der Veränderung auch Überhöhungen der obigen Punkte sein: Skurilität, Exzentrik, Psychose, Hysterie, Gefühlskälte, Ticks usw. und die Veränderung in bestimmten Punkten. Allerdings besteht bei "überhöhtem" Spiel die Gefahr, dass die Wahrhaftigkeit und das Berührende der Figur verloren geht (wenn man auch Szenen mit Tiefgang spielen will).
"Klassische" Charaktere finden sich z.B. als Archetypen bei der Heldenreise.
Klischee
Gegensätzlich zum Charakter ist die Figur, die aus Klischees besteht.
Motive/Motivik
Eher in den Bereich der Dramaturgie gehören die Motive der betreffenden Person. Sie können die Handlungsimpulse für die Geschichte setzen, ihre Klammer bzw. ihren Spannungsbogen bilden.
Motivik ist die Summe von wiederkehrenden "klassischen" Motiven. Sie zeichnet sich dadurch aus, dass sie eine Bezug hat zu wesentlichen elementaren Erfahrungen, Emotionen oder Situationen. Denn auch wenn jeder seine individuelle Lebensgeschichte hat, gibt es doch Grunderfahrungen wie Liebe, Schmerz, Verlust, die alle Menschen miteinander teilen. Diese universellen Erfahrungen sind allgemein vorhanden und allgemein verständlich. Weil sie somit sowohl bei dem dargestellten Charakter als auch bei den Zuschauern vorhanden sind, ermöglichen sie diesen ein hohes Maß an Identifikation mit dem betreffenden Charakter (oder bei negativem Charakter dessen Ablehnung). Das heißt, der Charakter ist (wirkt) in hohem Maß wahrhaftig und authentisch.
Beispiele "klassischer" Motive:
- Verlust eines nahestehenden Menschen
- Inzest
- feindliche Brüder (Geschwister)
- Eifersucht
- Rache
- unerwiderte Liebe
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